Ein Reisebericht über die Perle Westkretas
Wer einmal durch die Altstadt von Chania schlendert, wird schnell merken: Diese Stadt erzählt Geschichten. Geschichten von venezianischen Seefahrern, osmanischen Händlern, kretischen Bauern und modernen Träumern. Chania, gelegen an der Nordwestküste der Insel Kreta, vereint jahrhundertealte Kulturen, mediterranes Lebensgefühl und die Herzlichkeit ihrer Bewohner zu einem der reizvollsten Reiseziele Griechenlands.
Ankommen und Eintauchen
Schon beim Landeanflug auf den Flughafen von Chania offenbart sich die Schönheit der Region: im Hintergrund das mächtige Lefka Ori-Gebirge, davor Olivenhaine, Buchten, türkisblaues Meer. Vom Flughafen aus ist es nur eine kurze Fahrt bis in die Altstadt, und mit jeder Kurve wächst die Vorfreude.
Kaum angekommen, zieht es uns in die engen Gassen rund um den Alten Venezianischen Hafen – das Herzstück Chanias. Die Abendsonne taucht die Mauern in warmes Licht, Möwen kreisen über dem Wasser, und das Plätschern der Wellen gegen die alten Hafenmauern wirkt wie ein Willkommensgruß. Ein paar Schritte, und man steht vor einem der bekanntesten Wahrzeichen: dem venezianischen Leuchtturm. Stolz und zugleich elegant steht er am Ende der Mole, ein stiller Wächter über die Stadt.
Der Alte Hafen – ein Ort voller Leben
Am nächsten Morgen beginnt unser erster voller Tag in Chania. Der Hafen ist um diese Zeit noch ruhig, nur ein paar Einheimische sitzen auf den Steinmauern und angeln. In den Cafés entlang der Promenade riecht es nach frischem Kaffee und Gebäck. Wir setzen uns auf eine Terrasse mit Blick aufs Wasser und bestellen einen traditionellen griechischen Kaffee – stark, süß und in kleinen Tassen serviert.
Der Alte Venezianische Hafen wurde im 14. Jahrhundert erbaut, als die Republik Venedig Kreta beherrschte. Die venezianischen Einflüsse prägen bis heute das Stadtbild. Die Lagerhäuser der einstigen Seemacht stehen noch immer, viele von ihnen wurden zu Galerien, Restaurants oder Museen umgebaut. Eines davon beherbergt heute das Schifffahrtsmuseum von Chania – ein Besuch lohnt sich besonders für alle, die mehr über die maritime Geschichte der Stadt erfahren möchten.
Besonders eindrucksvoll ist die „Yiali Tzami“, die osmanische Moschee direkt am Hafen. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert, ist heute nicht mehr religiös genutzt, sondern dient als Ausstellungsraum. Ihr gewölbtes Dach und die orientalische Architektur erinnern an die osmanische Zeit Chanias, die der venezianischen Epoche folgte. Dieses Nebeneinander von Baustilen – venezianisch, osmanisch, neoklassizistisch – verleiht Chania seinen unverwechselbaren Charakter.
Ein Bummel durch die Altstadt
Vom Hafen aus schlendern wir hinein in das Labyrinth der Altstadt. Kopfsteingepflasterte Gassen, bunte Hausfassaden, kunstvoll verzierte Balkone – jeder Winkel wirkt wie eine Postkarte. In der sogenannten „Ledergasse“ (Odós Skrídlof) reihen sich kleine Läden aneinander, die handgemachte Sandalen, Taschen und Gürtel verkaufen. Manche der Werkstätten bestehen seit Generationen.
Wir lassen uns treiben, entdecken versteckte Innenhöfe, einen kleinen, schattigen Platz mit einem alten Mosaikbrunnen, steigen Treppen hinauf, die plötzlich einen atemberaubenden Blick auf das Meer freigeben. Immer wieder begegnen wir Relikten aus längst vergangenen Zeiten: byzantinische Kapellen, osmanische Bäder, venezianische Villen – oft liebevoll restauriert und von Pflanzen umrankt.
Zur Mittagszeit führt uns der Weg in eine Taverne etwas abseits der touristischen Routen. Der Wirt, ein älterer Herr mit verschmitztem Lächeln, empfiehlt uns gebackenen Feta mit Honig und Sesam, dazu frische Dolmades (gefüllte Weinblätter) und kretischen Weißwein. Die Einfachheit der Zutaten, kombiniert mit der Herzlichkeit des Personals, macht das Essen zu einem besonderen Erlebnis.
Spaziergang zum Leuchtturm
Am späten Nachmittag, wenn die Sonne nicht mehr ganz so brennt, machen wir uns auf zur Mole. Der Weg zum Leuchtturm führt vorbei an Restaurants, der alten Werft und einigen Anglern, die ihre Ruten ins Meer halten. Die Mole selbst ist etwa einen halben Kilometer lang und aus groben Steinen gebaut – gutes Schuhwerk ist hier ratsam. Doch der Blick, der sich am Ende bietet, ist jede Mühe wert.
Der Leuchtturm von Chania wurde ursprünglich im 16. Jahrhundert erbaut, später von den Ägyptern restauriert. Heute ist er nicht mehr in Betrieb, aber als Fotomotiv und Aussichtspunkt bleibt er ungeschlagen. Von hier aus sieht man das Panorama der Altstadt, die Festung Firkas und das offene Meer – besonders bei Sonnenuntergang ein unvergesslicher Anblick.
Tagesausflug nach Elafonissi
Chania ist nicht nur für sich allein ein lohnendes Reiseziel – auch die Umgebung bietet viele Highlights. Einer der bekanntesten Strände Westkretas ist Elafonissi, rund 75 Kilometer südwestlich der Stadt. Früh morgens fahren wir mit dem Mietwagen über kurvige Straßen und durch Schluchten, vorbei an Ziegenherden und kleinen Bergdörfern.
Elafonissi ist berühmt für seinen rosafarbenen Sand, der durch zerriebene Muschelschalen entsteht. Das Wasser ist flach und kristallklar – ideal zum Baden, vor allem für Familien mit Kindern. Eine sandige Landzunge führt zu einer kleinen Insel, die unter Naturschutz steht. Wer möchte, kann auf Felsen klettern, versteckte Buchten entdecken oder einfach nur die Sonne genießen.
Der Rückweg führt uns durch das Topolia-Tal, eine wilde Schlucht mit beeindruckenden Felswänden. In einem der kleinen Dörfer machen wir Halt und essen Souvlaki mit Blick auf die Berge. Diese Mischung aus Küste und Gebirge, Ruhe und Leben, macht den Reiz der Region aus.
Abschied mit Meeresrauschen
Die letzten Stunden in Chania verbringen wir noch einmal am Hafen. Ein leichter Wind weht durch die Gassen, die Lichter spiegeln sich im Wasser, Musiker spielen Bouzouki und Mandoline. Es fühlt sich ein wenig an, als hätte man für ein paar Tage ein anderes Leben gelebt – langsamer, wärmer, reicher an Eindrücken.
Chania ist mehr als nur eine schöne Stadt am Meer. Es ist ein Ort, an dem sich Geschichte und Gegenwart die Hand reichen. Wo Kulturen sich vermischt haben und doch jede ihren Platz behalten hat. Wer hier war, nimmt mehr mit als nur Fotos – es bleibt ein Gefühl von Weite, Gelassenheit und der leisen Sehnsucht, bald wiederzukehren.
Tipp: Die beste Reisezeit für Chania ist von Mai bis Juni und von September bis Oktober. Dann ist es angenehm warm, aber nicht überlaufen. Im Hochsommer kann es sehr heiß werden, vor allem in den engen Gassen der Altstadt.