Aurora Borealis – Wenn der Himmel tanzt
Nach unserer abenteuerlichen Schneemobiltour, die uns tief in die verschneiten Wälder rund um den Inarisee geführt hatte, waren wir durchgefroren bis auf die Knochen – und müde, so müde. Knapp 40 Kilometer auf dem Schneemobil, bei zweistelligen Minusgraden und einem Fahrtwind, der selbst durch die dickste Kleidung kroch, hinterließen ihre Spuren. Wir sehnten uns nach unserer warmen Hütte, nach Licht, Ruhe und Wärme.
Als wir endlich wieder daheim waren, war das erste, was ich tat: die Sauna anwerfen. Das vertraute Knacken des Holzofens, das leise Summen des Aufheizens – ein Ritual, das im finnischen Winter fast so wichtig ist wie das Zähneputzen. Während die Sauna langsam auf Temperatur kam – das dauert meist 30 bis 40 Minuten –, bereitete ich noch schnell heißes Wasser für Tee und Kaffee zu. Die Hände brauchten dringend etwas Warmes, und der Geist ebenso.
Zwischen Wärme und Bildern
In der Zwischenzeit lud ich die Bilder der Schneemobiltour auf den Laptop. Die Kamera hatte trotz der Kälte gut durchgehalten, und was ich sah, ließ mein Herz noch einmal höher schlagen: die weite, weiße Fläche des Inarisees, die alte Wildniskirche von Pielpajärvi, die Spuren der Motorschlitten im frischen Schnee, das Lagerfeuer im Wald.
Es war ein perfekter Tag gewesen – aber er sollte noch nicht vorbei sein.
Nach einem schnellen, aber herrlich erdenden Saunagang – das leise Knistern des Holzes, der aufsteigende Dampf, der Wechsel zwischen Hitze und Kälte – zog ich mich in mein Bett zurück. Es war Zeit für ein kleines Nickerchen, denn: der Abend sollte magisch werden. Laut aller Vorhersagen standen die Chancen auf Polarlichter heute besonders gut.
Vorbereitung auf das Nordlicht
Nach ein paar Stunden Schlaf weckte mich der Wecker mit einem sanften Piepsen – draußen war es still, die Nacht begann. Wir machten uns ein kleines Abendessen, irgendetwas Wärmendes, Kräftigendes – ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr was, aber es schmeckte nach Vorfreude.
Dann setzte ich mich erneut an den Rechner. Satellitendaten, Sonnenwindprognosen, KP-Wert, Wolkenradar – es klingt vielleicht übertrieben, aber das Beobachten von Polarlichtern erfordert in Lappland eine gewisse Wissenschaft. Ich prüfte jeden Parameter: Die Aurora-App zeigte einen KP-Wert von 5 bis 6 an – das bedeutete: hohe Aktivität. Noch wichtiger: Der Himmel über Inari sollte ab 22 Uhr wolkenfrei sein.
Die Spannung wuchs.
Ein Schauspiel beginnt
Und tatsächlich – kurz nach 22 Uhr trat das ein, worauf ich so sehr gehofft hatte. Ich öffnete die Tür, trat hinaus in die Kälte – und stand still.
Über mir spannte sich ein sternenklarer Himmel, schwarzblau und voller Hoffnung. Und dort – am nördlichen Horizont – begann es. Erst zögerlich, fast schüchtern: ein grüner Schimmer, der sich wie ein Schleier über die Bäume legte. Dann, ganz plötzlich, war er da – der Tanz der Lichter.
Ich rief nach meiner Kamera, griff das Stativ und eilte hinaus auf den zugefrorenen Inarisee. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen, der Atem bildete kleine Wolken, und das Lichtspiel über mir wurde mit jeder Minute intensiver.
Grüne Schleier zogen sich über das Firmament, drehten sich, wirbelten, flackerten. Mal wie ein Vorhang, der sich im Wind bewegt, dann wieder wie Strahlen, die vom Himmel zur Erde tanzen. Und zwischendrin: kleine Ausbrüche von Violett, zarte Spitzen aus Rosa, manchmal ein Hauch von Weiß.
Fotografieren in der Arktis
Ich stellte das Stativ auf, justierte die Kamera, ISO hoch, Blende offen, Belichtungszeit je nach Intensität zwischen 10 und 20 Sekunden. Und dann: Knips. Knips. Knips.
Jedes Bild war ein Treffer. Die Aurora war heute nicht nur sichtbar – sie war ein Feuerwerk. Mal breitete sie sich aus wie eine riesige Himmelsdecke, mal zog sie sich in schmalen Bögen zusammen und „platzte“ förmlich in neuen Mustern auf. Der Himmel war in Bewegung – und wir mittendrin.
Ich vergaß die Kälte. Ich vergaß die Müdigkeit. Ich stand einfach da, voller Ehrfurcht, und fotografierte wie im Rausch.
Eine Nacht zum Erinnern
Gegen Mitternacht ließen die Lichter langsam nach. Der Himmel wurde ruhiger, die grünen Schleier zogen sich zurück, verblassten – bis nur noch ein paar Sterne blinkten, als wollten sie sagen: „Das war’s für heute.“
Ich stand noch eine Weile draußen, die Kamera in der Hand, das Herz weit offen. Es gibt Momente auf Reisen, die brennen sich ein. Nicht weil sie laut oder spektakulär sind – sondern weil sie echt sind. Dieses Erlebnis war so eines.
Zurück in der Hütte wärmte ich meine Hände an einer Tasse Tee, setzte mich vor den Bildschirm und schaute mir die Bilder an. Und zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich: Es gibt Fotos, die können der Wirklichkeit nicht gerecht werden – aber sie kommen verdammt nah dran.
Fazit
Die Nordlichter über Inari zu sehen – nicht nur einmal, sondern wirklich intensiv, tanzend, in voller Pracht – war ein Geschenk. Ein Geschenk, das nicht jeder bekommt, und das man nicht kontrollieren kann. Man kann die besten Apps haben, die teuerste Kamera, die genaueste Vorhersage – aber die Aurora zeigt sich nur, wenn sie will. Und an diesem Abend, da wollte sie.
Was bleibt? Erinnerungen, Bilder – und dieses Gefühl, einmal unter einem tanzenden Himmel gestanden zu haben.